Psychokardiologie - wie sich Psyche auf das Herz auswirkt.

Das Feld der Psychokardiologie Wie die Psyche das Herz beeinflusst

Von Isa­bel Michael

Wie gesund das Herz eines Men­schen ist, kann er zum Teil selbst beein­flus­sen. Dabei soll­te auch die see­li­sche Gesund­heit nicht außen vor gelas­sen wer­den. Ins­be­son­de­re Depres­sio­nen kön­nen dem Herz scha­den und eine bereits vor­han­de­ne Herz­krank­heit sogar verschlimmern. 

Laut Robert-Koch-Insti­tut sind Herz-Kreis­lauf-Erkran­kun­gen für 40 Pro­zent der Ster­be­fäl­le in Deutsch­land ver­ant­wort­lich und damit die häu­figs­te Todes­ur­sa­che. Schuld dar­an sind vor allem die koro­na­re Herz­krank­heit, Schlag­an­fäl­le und auch Herz­in­fark­te. Neben bekann­ten Risi­ko­fak­to­ren wie Rau­chen, Fett­stoff­wech­sel­stö­run­gen, Blut­hoch­druck, Bewe­gungs­man­gel oder unge­sun­der Ernäh­rung erhö­hen offen­bar auch nega­ti­ve Emo­tio­nen und ver­mehr­ter Stress das Risi­ko für Herzprobleme. 

Die Psy­cho­kar­dio­lo­gie befasst sich mit den Wech­sel­wir­kun­gen zwi­schen Psy­che und Herz­er­kran­kun­gen. Mitt­ler­wei­le ver­fü­gen ers­te Kran­ken­häu­ser über eine eige­ne psy­cho­kar­dio­lo­gi­sche Sta­ti­on, auf der die Pati­en­ten gleich­zei­tig von Herz­spe­zia­lis­ten und Psy­cho­so­ma­ti­kern betreut werden. 

Depressionen starker Risikofaktor für Herzinfarkt

Prof. Dr. Vol­ker Köll­ner ist Chef­arzt der Abtei­lung Ver­hal­tens­the­ra­pie und Psy­cho­so­ma­tik und ärzt­li­cher Direk­tor am Reha­zen­trum See­hof der DRV. In sei­nem gemein­sam mit dem Kar­dio­lo­gen Eike Lang­heim und der Bewe­gungs­the­ra­peu­tin Judit Klein­schmidt geschrie­be­nen Buch “Mein Herz + mei­ne See­le: Das Zusam­men­spiel von Psy­che und Herz: Span­nen­de Ein­bli­cke in die Psy­cho­kar­dio­lo­gie” schreibt er unter ande­rem dar­über, wie sehr Depres­sio­nen die Herz­ge­sund­heit gefähr­den kön­nen. “Wir wis­sen, dass Depres­sio­nen ein star­ker Risi­ko­fak­tor dafür sind, einen Herz­in­farkt zu krie­gen. Bei der Depres­si­on haben wir eine ver­min­der­te Herz­ra­ten­va­ria­bi­li­tät. Die­se ist bei Men­schen mit Depres­si­on und bei Men­schen mit schwe­ren Herz­er­kran­kun­gen glei­cher­ma­ßen ein­ge­schränkt. Das ist mit einer schlech­ten Pro­gno­se ver­knüpft”, sagt er im Inter­view mit ntv.de. 

Wei­ter­hin nei­gen depres­si­ve Men­schen häu­fig dazu, sich zu iso­lie­ren, sich weni­ger zu bewe­gen, mehr zu rau­chen und unge­sün­der zu essen. All dies trägt laut Köll­ner dazu bei, dass das Risi­ko für Herz­krank­hei­ten und Herz­in­fark­te steigt. Das­sel­be gilt übri­gens auch für Men­schen, die auf­grund eines Trau­mas unter einer post­trau­ma­ti­schen Belas­tungs­stö­rung lei­den. Auch hier ist die Selbst­für­sor­ge oft schlech­ter. Dazu kommt auch noch der per­ma­nen­te psy­chi­sche Stress, der auf Dau­er eben­so schlecht fürs Herz ist. 

Köll­ner zufol­ge ist es daher für die­se Men­schen sehr wich­tig, sich früh­zei­tig in pro­fes­sio­nel­le Behand­lung zu bege­ben. “Wenn die Depres­si­on erfolg­reich behan­delt wird, ist die Herz­ra­ten­va­ria­bi­li­tät wie­der nor­mal”, beru­higt er und ermahnt aber gleich­zei­tig zu schnel­lem Han­deln: “Wenn man sich zu spät Hil­fe holt, chro­ni­fi­ziert sich die Erkran­kung und ist schwe­rer zu behan­deln”. Die Not­wen­dig­keit einer psy­cho­the­ra­peu­ti­schen Betreu­ung ist aber auch dann gege­ben, wenn man bereits eine Herz­er­kran­kung hat oder ein herz­be­zo­ge­nes Ereig­nis wie eine Wie­der­be­le­bung erlebt hat und dar­un­ter psy­chisch (immer noch) lei­det. Denn auch das ist kei­ne Seltenheit. 

Aber wie sieht das eigent­lich bei Ängs­ten und Panik­at­ta­cken aus? Bei die­sen kommt es natür­lich sehr oft zu Herz­klop­fen oder gar Herz­ra­sen, was vie­len Betrof­fe­nen Angst macht. Hier kann der Psy­cho­so­ma­ti­ker beru­hi­gen: “Die Herz­fre­quenz­an­stie­ge sind bei Angst nicht stär­ker, als wenn man Trep­pen steigt oder Sport macht. Das fühlt sich nur so dra­ma­tisch an, weil die Angst ja meis­tens in Ruhe kommt. Die ein­zel­ne Angst­at­ta­cke ist für das Herz nicht gefähr­lich.” Aller­dings gibt es vie­le Sta­tis­ti­ken, die eine ver­meint­li­che Kor­re­la­ti­on zwi­schen Angst­er­kran­kun­gen und Herz­krank­hei­ten anzei­gen. Köll­ner zufol­ge wird die­ser Zusam­men­hang jedoch durch Depres­sio­nen ver­mit­telt, die sehr häu­fig mit Angst­er­kran­kun­gen einhergehen. 

Mit gebrochenem Herzen auf der Intensivstation 

Wie sehr die Psy­che das Herz wirk­lich beein­flusst, lässt sich anhand des Bro­ken-Heart-Syn­droms, auch Tako-Tsu­bo-Kar­dio­myo­pa­thie genannt, sehr ein­drucks­voll fest­stel­len. Es tritt nach enorm belas­ten­den Lebens­er­eig­nis­sen wie einer Tren­nung, einem uner­war­te­ten Todes­fall oder einem Job­ver­lust auf. Frau­en sind häu­fi­ger betrof­fen als Män­ner, was ver­mut­lich am erhöh­ten Östro­gen­spie­gel im Blut liegt. Bei der Tako-Tsu­bo-Kar­dio­myo­pa­thie ver­än­dert sich die lin­ke Herz­kam­mer durch den stress­be­ding­ten Adre­na­lin­schub so, sodass sie auf dem Rönt­gen­bild an eine töner­ne Tin­ten­fisch­fal­le (Tako Tsu­bo) erin­nert. “Wir den­ken heu­te, dass es eine Herz­mus­kel­schwä­che durch vie­le Stress­hor­mo­ne ist”, erklärt Köllner. 

Die Sym­pto­me sind ähn­lich denen eines Herz­in­fark­tes. Die Betrof­fe­nen lei­den unter ande­rem an Schweiß­aus­brü­chen, Herz­ra­sen, einem Enge­ge­fühl im Brust­korb und Brust­schmer­zen. Die­ser “Schein­in­farkt” ist kei­nes­wegs auf die leich­te Schul­ter zu neh­men. Die Pati­en­ten müs­sen oft sogar auf der Inten­siv­sta­ti­on behan­delt wer­den, da Herz­ris­se und gefähr­li­che Herz­rhyth­mus­stö­run­gen dro­hen. Jeder 20. Betrof­fe­ne ver­stirbt sogar am Bro­ken-Heart-Syn­drom. Die Pump­leis­tung des Her­zens wird dabei so beein­träch­tigt, dass es zu einem Herz­still­stand kom­men kann. Ist die­se aku­te Pha­se jedoch ohne Kom­pli­ka­tio­nen über­stan­den, kann der Pati­ent meist beru­higt sein: “Weil kein Gefäß­ver­schluss vor­han­den ist, erholt sich das Herz in der Regel voll­stän­dig wie­der davon”, betont der Arzt. 

Was tut dem Herzen gut?

Ein gesun­der Lebens­stil kann dazu bei­tra­gen, das Risi­ko für Herz­krank­hei­ten und Herz­in­fark­te zu sen­ken. Er hilft auch Herz­kran­ken dabei, bes­ser mit der Krank­heit umzu­ge­hen und sich weni­ger von ihr ein­ge­schränkt und belas­tet zu füh­len. Dabei ist es nicht nur wich­tig, nicht zu rau­chen, son­dern sich auch regel­mä­ßig zu bewe­gen. “Wir kön­nen unse­re Gefä­ße mit regel­mä­ßi­gem Aus­dau­er­trai­ning, das drei- bis vier­mal die Woche 45 Minu­ten lang durch­ge­führt wird, schüt­zen” sagt Köll­ner. Außer­dem redu­ziert regel­mä­ßi­ger Sport das Risi­ko, an Depres­sio­nen und Angst­er­kran­kun­gen zu lei­den. Wer bereits betrof­fen ist, kann eben­so pro­fi­tie­ren: “Regel­mä­ßi­ges Aus­dau­er­trai­ning ist genau­so effek­tiv wie ein Anti­de­pres­si­vum”, betont der Psychosomatiker. 

Die Emp­feh­lung zu mehr Bewe­gung gilt auch für Men­schen, die bereits Pro­ble­me mit dem Her­zen haben, wie er wei­ter aus­führt: “Beim Auto den­ken wir, es geht schnel­ler kaputt, wenn wir es benut­zen. Beim Kör­per ist es umge­kehrt. Wenn man ihn nicht benutzt, dann geht er kaputt. Es gibt Herz­sport­grup­pen für Herz­kran­ke und schwer Herz­kran­ke, bei denen zur Sicher­heit ein Arzt und ein Bewe­gungs­the­ra­peut dabei sind.” 

Wei­ter­hin ist es für ein gesun­des Herz beson­ders wich­tig, rich­tig zu essen. Hier­zu eig­net sich dem Arzt zufol­ge beson­ders die medi­ter­ra­ne Küche. Sie setzt neben viel Obst, Gemü­se, Fisch und Getrei­de­pro­duk­ten vor allem auf pflanz­li­che Fet­te, wie sie etwa in Oli­ven­öl oder Nüs­sen ent­hal­ten sind. Die wert­vol­len Ome­ga-3-Fett­säu­ren schüt­zen das Herz und sen­ken den Cho­le­ste­rin­spie­gel. Fleisch stellt bei die­ser Kost dage­gen eher die Aus­nah­me als die Regel dar. Auch stark ver­ar­bei­te­te Fer­tig­ge­rich­te und Fast Food sowie zu viel Zucker soll­te man sei­nem Her­zen zulie­be vom Spei­se­plan ver­ban­nen. Wer außer­dem sta­bi­le sozia­le Bezie­hung hat, ist nicht nur glück­li­cher als ein­sa­me Men­schen, son­dern erholt sich Köll­ner zufol­ge sogar schnel­ler wie­der von einem Herzinfarkt.

Wei­ter­hin ist es wich­tig, mög­lichst Stress zu ver­mei­den und sich gezielt zu ent­span­nen. Das gilt vor allem für Work­aho­lics. Denn wer mehr als 50 Über­stun­den pro Woche macht, erhöht sta­tis­tisch gese­hen sein Herz­in­farkt­ri­si­ko. Auch psy­chi­sche Belas­tun­gen am Arbeits­platz wie Mob­bing oder kaum vor­han­de­ne Kon­troll­mög­lich­kei­ten kön­nen sich auf Dau­er nega­tiv auf die Herz­ge­sund­heit aus­wir­ken. Des­we­gen ist es so wich­tig, früh­zei­tig Pro­ble­me anzu­spre­chen und — wenn die­se sich nicht lösen las­sen — über einen Job­wech­sel nach­zu­den­ken. “Machen Sie nicht so vie­le Über­stun­den und suchen Sie sich einen Betrieb, der wert­schät­zend mit sei­nen Mit­ar­bei­tern umgeht und Sie mit ein­be­zieht in Ent­schei­dun­gen”, emp­fiehlt Köllner. 

Quel­le: ntv.de

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